Interview im BR anlässlich des Weltschmerztages

07.06.2023
© N.N.
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Anlässlich des Weltschmerztages fand im BR ein kurzes Interview mit BR-Moderator Johann Jahn zum Weltschmerztag und der Innovation „Gesund mit Musik“ des Kissinger Musiksommers statt, welches am 06.06.2023 gesendet wurde:

J.J.: […] Ein bisschen Balsam für die Seele passt doch ganz gut zu unserem aktuellen Thema. Jetzt heute ist nämlich an diesem 6. Juni deutschlandweite Aktionstag gegen den Schmerz. Immer am ersten Dienstag im Juni will die Schmerzgesellschaft sensibilisieren. Dabei spielt Musiktherapie immer eine wichtigere Rolle. Was auch der Kissinger Sommer erkannt hat. Das Festival, das jetzt wieder Mitte Juni beginnt, hat schon im letzten Jahr das Projekt „Gesund mit Musik“ eingeführt und einige Konzerte speziell in Pflegeeinrichtungen gestreamt, um den Menschen vor Ort mitsamt einem Rahmenprogramm nicht nur was fürs Auge und Ohr, sondern eben auch was für die Seele bzw gegen das Leiden zu bieten.

Isabelle Vilmar ist auch heuer zum zweiten Mal wieder dabei, als Musiktherapeutin im Hamburger Hospital zum Heiligen Geist mit sogenannten „Interaktiven Konzerten“. Und mit ihr habe ich gestern gesprochen und sie zunächst mal gefragt, inwiefern sie denn Musik als heilende Kraft in diesem Projekt denn so aufnimmt.

I.V.: Ich muss sagen, dass ich eigentlich tagtäglich hier in meiner Arbeit als Musiktherapeutin diese Zaubermomente erleben darf. Und das ist etwas so Zwischenmenschliches, das dort passiert und eigentlich sehr schwer in Worte zu fassen ist. Das ist ein Blick, das ist ganz viel Atmosphärisches, wo mir mein Gegenüber, das tagtäglich mitunter auch mit Barrieren konfrontiert ist, signalisiert „Hallo, ich werde hier gerade gesehen, ich kann mich beteiligen“.

[…] Interaktive Konzerte begannen bei uns am Hospital durch die Kooperation mit der Hamburger Hochschule für Musik und Theater. Und diese Konzerte brachten die Menschen zusammen. Kulturelle und soziale Teilhabe - all das ist auch in unseren Gesetzen verankert. Und hier findet es tatsächlich statt.

J.J.: Jetzt könnte ich mir vorstellen, dass es natürlich viele Unterschiede gibt, was die Rezeption betrifft, also wie man auf welche Musik reagiert. Also sprich was eignet sich für wen auch?

I.V.: Tja, das ist ganz individuell. Die Wirksamkeit der Musik entfaltet sich aus musikthera-peutischer Sicht sehr, sehr unterschiedlich. Und jemand, der beispielsweise mit der Morgen-stimmung so richtig gut in den Tag starten kann, da würde jemand anderes, der Hardrock bevorzugt, wahrscheinlich einen Rappel kriegen. Und dann eher das andere, was das Gehirn in dem Moment vielleicht ein bisschen frei macht, bevorzugen.

J.J.: Insgesamt acht Konzerte werden jetzt beim Kissinger Sommer übertragen. In Einrichtungen zu Ihnen ins Hamburger Hospital kommt ein Konzertabend mit den Wiener Symphonikern, habe ich gesehen. Was gibt es denn da und was planen Sie da begleitend?

I.V.: Ich meine, dass wir am 29. teilnehmen. Und da kommen dann die Bamberger Symphoniker digital zu uns [Lachen]. Und wir freuen uns auf Rossini, Haydn und Schubert mit dem Solisten Maximilian Hornung. Und in dem Kontext scheint es auch ganz wichtig zu vermitteln, was denn überhaupt hinter den Werken steht. Wir haben bei uns im Hospital den jungen Cellisten Simon Schachtner - er wird quasi mit seinem Cello unser Publikum schon vorher musikalisch abholen und einstimmen. Hinzu kommt eine kleine Plakatausstellung, die den Menschen die Möglichkeit gibt, sich über die Hintergründe zu den Werken und Komponisten ein bisschen zu informieren.

Da gibt es ja ganz viel Spannendes, was es auch zu entdecken gilt. Zum Beispiel mit dem zweiten Cellokonzert von Haydn, das das erst 1951 ihm [Haydn] wirklich auch zugeschrieben wurde, weil sein Manuskript gefunden wurde. Viele unserer Senioren zeigen sich sehr neugierig und scheinen Freude daran zu haben, dazu zu lernen.

J.J.: Gesund mit Musik ist ja eine Aktion vom Bundesgesundheitsministerium mit der Musik therapeutischen Gesellschaft, in der Sie ja auch Mitglied sind. Frau Vilmar, wie ist denn im Jahr 2023 generell der Stand in Sachen Therapie mit und dank Musik?

I.V.: Wünschenswert wäre es natürlich, weitaus mehr Musiktherapeutinnen und -therapeuten beschäftigen zu können, weil sie einen ganz anderen Zugang zum Gegenüber als verbal basierte Therapieformen haben. Aber das Problem ist derzeit, dass die Musiktherapie in Deutschland kein anerkanntes psychotherapeutisches Verfahren darstellt. Wir haben auf der anderen Seite mittlerweile aber eine breitfundierte Datengrundlage, die den Ausschluss aus dem finanziellen und gesetzlichen Versorgungssystem einfach nicht mehr rechtfertigt.

Die Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Musikherapeutischen Gesellschaft sind aktuell dabei, mit weiteren kreativen Therapien die berufsrechtlichen Grundlagen zu schaffen. Dies dient dem Patientenschutz im Sinne der ethischen Verantwortung, die wir haben. Und jetzt liegt es halt an der Politik, die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

J.J.: Da gibt ja hoffentlich so eine Aktion wie beim Kissinger Sommer auch noch mal guten Rückenwind. Isabelle Vilmar, Musiktherapeutin am Hospital zum Heiligen Geist in Hamburg zum heutigen Aktionstag gegen den Schmerz. Haben Sie ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

I.V.: Sehr gerne.